Ralf Fücks: Zurück zur Natur?

Ralf Fücks

Die ökologischen Hiobsbotschaften häufen sich. Neben den Klimawandel tritt jetzt das Artensterben ins Bewusstsein - bis zu 5 Prozent der heute bekannten Tier- und Pflanzenarten sind vom Aussterben bedroht. Hauptursachen sind die Zerstörung natürlicher Lebensräume durch die Ausweitung menschlicher Siedlungs- und Wirtschaftsflächen, der massive Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel und die damit korrespondierende landwirtschaftliche Monokultur. Es hilft aber nichts, das Leben von Tieren und Pflanzen über menschliche Lebensinteressen zu stellen, wie der Biologe Josef Sattele, einer der Hauptautoren des Biodiversitätsberichts, richtig anmerkt. Es gibt kein zurück hinter das Anthropozän (Menschenzeitalter), das durch die menschliche Überformung der Natur geprägt ist. 

Wir müssen die industriell-technische Zivilisation so verändern, dass sie die außermenschliche Natur als Reichtum achtet, statt sie als bloße Ressource auszubeuten. Das bedeutet nicht ein "zurück zur Natur", sondern die beschleunigte Entkopplung von Wohlstandsproduktion und Naturverbrauch. Also z.B. nicht Rückkehr zur vorindustriellen Landwirtschaft, sondern vermehrte Nahrungsmittelproduktion in städtischen High-Tech-Farmen (Indoor Farming), gezielte Züchtung schädlingsresistenter und ertragreicher Pflanzen (Gen-Editing) und synthetische Fleischproduktion. Partielle Extensivierung und Intensivierung der Landwirtschaft sind zwei Seiten einer Medaille.

Ähnliches gilt für die Urbanisierung: Die Konzentration großer Menschenmassen in städtischen Ballungsräumen ist ökologisch ein Fortschritt. Sie reduziert Flächen-verbrauch, Verkehrsaufkommen und Energiebedarf. Umweltfreundliche Energie kann in den Städten erzeugt werden (Solararchitektur, Plus-Energie-Häuser, Geothermie, Blockheizkraftwerke). Abfallströme können durch geschlossene Wertstoffkreisläufe reduziert werden. Vernetzte Grünflächen, Fassadenbegrünung und Dachgärten fördern die Artenvielfalt in städtischen Räumen. 

Ziel muss sein, den Landschaftsverbrauch soweit zu reduzieren, dass große Flächen unter Naturschutz gestellt werden können, sei es als Kulturlandschaft oder als Wildnis. Angesichts von bald 10 Milliarden Menschen auf unserem Planeten braucht es ein nachhaltiges Umwelt-Management, um unsere natürlichen Lebensgrundlagen zu erhalten: Nicht Unterordnung unter die Natur, sondern bewusste Ko-Evolution mit der Natur auf der Basis von Wissenschaft und Technik ==> http://www.hanser-literaturverlage.de/buch/intelligent-wachsen/978-3-446-43484-4/