Aus: Pierre Teilhard de Chardin
Sinn und Ziel der Evolution
Ausgewählte Texte
Bearbeitet, kommentiert und herausgegeben von Peter Gotthard Bieri
Shaker Media, 2009
1 Ist die Evolution zu Ende?
... Unsere Welt, das Ergebnis einer Entwicklung
Bis vor kurzem haben die Menschen die Naturerscheinungen auf der Erde als unveränderliche Rhythmen betrachtet und die Sterne als unwandelbar auf ihrer Bahn festgelegt. Doch irgendwann hat ein erster Mensch diesen Schein überwunden. Er glaubte in der ruhigen Verteilung aller Dinge um uns her die Wirbel eines gewaltigen Kielwassers zu entdecken. Und er rief den auf dem Erdenfloß Dahindösenden laut zu: „Wir bewegen uns ja! Wir fahren wirklich voran!“ Seither ist die Menschheit in zwei Lager gespalten. Die einen streben zu immer neuen Horizonten und sagen: „Ja, wir schreiten voran!“ Die andern wiederholen hartnäckig, ohne sich von der Stelle zu rühren: „Aber nein, nichts ändert sich; wir bewegen uns nicht.“ Das ist ein ebenso erheiterndes wie tragisches Schauspiel! [2]
Die ‚Immobilisten’ haben für sich den gesunden Menschenverstand, die Routine, die möglichst kleine Anstrengung, den Pessimismus, die Moral und wohl auch die Religion. Seit sich die Menschen Erinnerungen an die Vergangenheit überliefern, scheint sich nichts bewegt zu haben, weder Geländewellen noch Lebensformen, weder das Genie des Menschen noch seine Auffassung von Gut und Böse. Leiden, Krieg und Laster, manchmal für einen Augenblick unterdrückt, werden von Geschlecht zu Geschlecht weitergegeben; das Streben nach Fortschritt verschlimmert diese Übel nur. Überlieferte, mühselig errichtete Ordnungen werden zerstört und das Malaise der Lebenden vergrößert sich ständig. Die Immobilisten befehlen deshalb: „Im Namen der Ruhe, im Namen der Tatsachen, im Namen der bestehenden heiligen Ordnung: Wir verbieten der Erde, sich zu bewegen! Nichts soll sich und nichts kann sich verändern!“ So treibt das Floß der Immobilisten ziellos über ein unendliches Meer.
Unterdessen hat der andere Teil der Menschheit den häuslichen Herd verlassen, wo man sich immer dieselben Geschichten erzählt. Vom Ruf des Ausgucks berührt, beugen sie sich über den Rand des Floßes und schauen in den geheimnisvollen Ozean, befragen das Plätschern der Wellen, atmen die Düfte der Brise und betrachten das Spiel der Schatten. Für sie verbinden sich alle Dinge, die Laute des Wassers, der Geruch der Luft und die Lichtschimmer am Himmel und gewinnen einen Sinn. Das bisher unzusammenhängende und starre Universum nimmt die Form einer einheitlichen Bewegung an.
Wir wissen heute, dass die Welt in ihrem gegenwärtigen Zustand das Ergebnis einer universellen Entwicklung ist. Was immer wir betrachten,
– die Lage der Gesteinsschichten, die die Erde umhüllen,
– die Anordnung der lebenden Formen, die sie bevölkern,
– die Mannigfaltigkeit der Zivilisationen, die sich ihren Raum teilen,
– die Struktur der Sprachen, die auf ihr gesprochen werden,
immer ergibt sich zwingend dieselbe Schlussfolgerung: In jedem Seienden sammelt sich eine Vergangenheit – kein Ding ist ohne seine Geschichte verständlich.
‚Natur‘ ist gleichbedeutend mit Werden, Entstehen; zu dieser Ansicht zwingt uns die Erfahrung.
Das heisst, dass
– das Universum sich zumindest früher einmal hat entwickeln müssen,
– es formbar gewesen ist,
– es fortschreitend die relativ vollkommenen Wesen, die es heute krönen, erworben hat.
Bis hin zur menschlichen Seele gibt es nichts, was nicht unter diesem gemeinsamen Gesetz steht. Auch unsere Seele nimmt einen eindeutig definierten Platz im stufenweisen Aufstieg der Lebewesen zum selbstbewussten Sein ein.
Entwickelt sich der Kosmos weiter?
Wir haben die fortschreitende Genese[3] des Universums klar erkannt. Die brennende Frage heisst jetzt: Bewegt sich das Universum noch immer weiter? Oder ist heute alles unlösbar fixiert?
Die universelle Formbarkeit der Natur scheint irgendwann plötzlich erstarrt zu sein. Wie eine auf die Fotoplatte gebannte Welle oder wie ein von der Erkaltung überraschter Lavastrom erscheinen
die Berge und Lebewesen der Erde dem, der sie betrachtet oder abtastet, als ein mächtiger, versteinerter Schwung. Beobachten wir sie von oben und aus der Ferne, so erscheint die Natur formbar und
bewegt. Versuchen wir sie jedoch zu verändern, erscheint sie uns absolut unbeugbar, ja bestürzend unbeweglich.
Wer hat denn gesehen, dass eine geologische Schicht sich faltet? Der Felsbrocken, den wir maschinell zusammenpressen, zerbricht, weil wir zu rasch vorgehen oder zu kleine Stücke nehmen. Doch wenn wir nicht zuschauen können, wie Bergketten sich erheben, so vielleicht deshalb, weil ihre Auffaltung sich entweder in so weit auseinander liegenden Schüben oder in einem so langsamen Rhythmus vollzieht, dass, seit es Menschen gibt, nichts geschehen zu sein scheint?
Dasselbe gilt für die Welt des Lebendigen: Vielleicht ist die scheinbare Starrheit der jetzigen Organismen nur eine sehr langsame Bewegung oder eine Ruhepause zwischen zwei Bewegungen? Warum sollte nicht auch das Lebendige nur in großen Mengen oder nur durch eine Jahrhunderte lange Tätigkeit oder nur während kurzen Perioden beweglich sein? Wer gewährleistet uns denn, dass sich nicht gerade in diesem Augenblick, ohne dass wir es ahnen, neue Glieder im Profil der Erde und des Lebens bilden?
Das Ende der biologischen Evolution
Die Hypothese, dass die irdische Evolution seit einiger Zeit still steht, wird durch ein damit zusammentreffendes anderes Ereignis gestützt:
Es ist bemerkenswert, dass die gestaltmässige Transformation[4] der Lebewesen sich gerade in dem Augenblick verlangsamt zu haben scheint, da das Denken auf der Erde auftrat. – Sollte da ein Zusammenhang bestehen?
Es ist eine Tatsache, dass die einzige beständige Richtung, der die biologische Evolution folgte, die Richtung zum größeren Gehirn und damit zum größeren Bewusstsein gewesen ist. So muss man sich fragen, ob das ‚Bedürfnis’ zu erkennen und zu denken die eigentliche Triebkraft des ganzen Aufstiegs der Lebenskräfte gewesen ist – und ob nicht, da dieses Bedürfnis im menschlichen Sein endlich sein Ziel erreicht hat, der ganze evolutive Druck seit dem Ende des Tertiärs (also vor 2,5 Millionen Jahren) in den anderen Zweigen des Lebens nachgelassen hat.
Fortschreitende Beseelung ...
Nehmen wir einmal an, dass sich seit dem Tertiär alle evolutiven Vermögen auf das menschliche Bewusstsein konzentrieren. Die Frage, ob sich das All weiterentwickelt, mündet dann in die entscheidende Frage, ob der menschliche Geist immer noch in Evolution begriffen ist oder nicht. Um diese Frage zu beantworten, dürfen wir aber nicht nur den einzelnen Menschen betrachten, wir müssen auch die zwischenmenschlichen Beziehungen berücksichtigen. Wir werden sehen, dass eine wunderbare evolutive Bewegung rings um uns herum rastlos weitergeht, nämlich im Bereich des kollektiven Bewusstseins der Menschheit[5].
Was unterscheidet uns Heutige denn von den frühen Menschen? Worin sind wir ihnen überlegen? Organisch waren uns die Frühmenschen ebenbürtig. Und es ist anzunehmen, dass der Mensch seit der letzten Eiszeit, also seit zehntausend Jahren, intelligenz- und gefühlsmäßig, moralisch und ästhetisch keine wesentlichen Veränderungen mehr durchgemacht hat. Zum Glück gibt es noch eine andere Dimension, in der wir uns änderten und noch weiter ändern. Die große Überlegenheit, die wir über den ‚primitiven‘ Menschen gewonnen haben und die unsere Nachkommen in vielleicht unerhörtem Ausmaß weiter verstärken werden, besteht darin, dass wir uns besser kennen, unseren Ort im Raum und in der Dauer genauer bestimmen können, so dass wir uns unserer universellen Einbindung und Verantwortung bewusster geworden sind.
Wir haben nacheinander die Illusionen überwunden, dass die Erde flach ist, dass sie unbeweglich ist und dass sie das Zentrum des Alls bildet. Wir haben die trostlose Oberfläche der Erde zu einem kleinen Ball zusammengerollt, sie unter die Gestirne geworfen und begriffen, dass sie nur ein kosmisches Staubkorn ist. Dann haben wir entdeckt, dass ein unbegrenzter Evolutionsprozess die Organismen mit sich gerissen hat. Es ist uns bewusst geworden, dass es ein Ganzes gibt und wir seine Elemente sind. Wir haben in unserem Geist die Welt erkannt und verwirklicht. – Und jetzt entdecken wir allmählich, dass wir in ein unermesslich Weiterführendes verwickelt sind, und beginnen zu begreifen, dass das mit einer neuen Aufgabe verbunden ist, die darin besteht, als intelligente ‚Atome’ dem im Universum sich vollziehenden Werk zu dienen. Was bedeutet diese Entdeckung? Ist sie nur ein intellektueller Irrtum? Eine befriedigte Neugier? – Nein. Dass wir uns nach und nach unserer Beziehungen mit allen Teilen des Universums bewusst werden, stellt ein wirkliches Grösser-Werden unserer personalen Fähigkeiten dar. Dieses Bewusstwerden bewirkt eine fortschreitende Beseelung der Gesamtheit der uns umgebenden Dinge. Sie bedeutet, dass ein neuer, wirklicher und ganzheitlicher Organismus im Entstehen begriffen ist, der unsere fleischlichen Körper übersteigt.
... durch wachsendes Bewusstsein
Wie zeigt sich das? Durch das wachsende Bewusstsein unserer Beziehungen zu allen Dingen. Durch die wachsende Ausweitung oder Zuwendung unserer Seelen zur ganzen Erde. Dies gehört nicht nur einer rein logischen oder idealen Ordnung an, sondern bedeutet durchaus einen organischen Fortschritt, eine Fortsetzung der Entwicklung, die einst das Keimen des Lebens und die Vergrößerung des Gehirns bewirkt hat. Es äußert sich in einer Veränderung des gemeinsamen sittlichen Wertes unseres Tuns, also in einer Veränderung des Lebendigsten in uns – wenn wir auch bisher durch den Fortschritt der menschlichen Erkenntnisse individuell moralisch nicht viel weiter gekommen sind im Vergleich zu unseren Vorfahren. Dennoch muss man um der Ehre derjenigen willen, die daran gearbeitet haben, sagen: Zwischen dem Tun der Menschen des ersten Jahrhunderts unserer Zeitrechnung und dem unsrigen besteht ungefähr derselbe Unterschied wie zwischen dem Tun eines zehnjährigen Kindes und dem eines vierzigjährigen Erwachsenen. – Inwiefern? Weil dank der Fortschritte der Wissenschaft und des Denkens unser modernes Tun zum Guten wie zum Bösen von einer unvergleichlich höheren absoluten Grundlage ausgeht als das Tun der Menschen, die uns den Weg zum Licht gebahnt haben.
Platon zum Beispiel glaubte wahrscheinlich, mit seinem Wirken nur eine in Raum und Dauer eng begrenzte Welt beeinflussen zu können. Wenn ein Mensch von heute mit vollem Bewusstsein handelt, weiß er, dass seine Entscheidung auf Jahrtausende hinaus und in Myriaden von Lebewesen nachwirken kann. Er fühlt in sich die Verantwortung und die Kraft eines ganzen Universums. Der Fortschritt hat also nicht jedes einzelne Individuum verändert, aber das Bewusstsein der Menschheit hat eine absolut neue Fülle gewonnen.
Hoffnung auf Befreiung
Das menschliche Individuum ist organisch seit langem fertig ausgebildet. Was sich aber gegenwärtig entwickelt, ist die Beseelung und damit die Assimilation des Universums durch dieses Individuum, das heisst die Verwirklichung eines erweiterten menschlichen Denkens. Es gibt Philosophen, die diese fortschreitende Beseelung der Wirklichkeit durch das menschliche Bewusstsein, also der Materie durch den Geist, mit der Hoffnung auf eine Befreiung der Welt verknüpfen. Sie hoffen, dass der voll entwickelte, autonome Mensch eines Tages fähig sein wird, die Leiden und das Übel auf dieser Welt zu besiegen. Diese Hoffnung ist leider unrealistisch. Kein äußerer Umsturz und keine innere Erneuerung vermöchten eine Metamorphose des Wirklichen im Universum zu bewirken, ohne gleichbedeutend mit seinem Tod zu sein. Tod des Individuums, Tod der menschlichen Rasse, Tod des Kosmos.
Eine realistischere Sicht zeigt uns die Erde auf dem Weg zu einem Zustand, wo der Mensch zur vollen Reife, zu seiner Einheit gelangt ist und endlich ein erwachsenes Geschöpf darstellen wird. Auf diesem Gipfel seiner Verantwortung und seiner Freiheit wird er sich, die ganze Vergangenheit und die ganze Zukunft in seinen Händen tragend, zwischen stolzer Autonomie und liebender Hingabe entscheiden müssen. Das wird die letzte Entscheidung sein: Autonomie oder Hingabe. Und dann wird über diesen Akt, in dem die Arbeit der Jahrtausende zusammengefasst ist, das Urteil gefällt werden.
Immer mehr wissen
Man sieht jetzt: Der Fortschritt ist eine Kraft, ja die gefährlichste aller Kräfte. Er ist das Bewusstsein von allem, was ist, und von allem, was sein kann. Mehr sein ist zunächst mehr wissen. So erklärt sich die geheimnisvolle Kraft, die trotz aller Enttäuschungen die Menschen unweigerlich zur ‚Wissenschaft’ als der Quelle des Lebens hinführt: Wir müssen immer mehr wissen und wir müssen immer mehr suchen. Wir suchen nach etwas, das sich früher oder später denen, die die Wirklichkeit bis auf den Grund ausgelotet haben, zeigen wird.
Von einer unerklärlichen Ganzheitsbewegung getragen, fühlen sich heute Menschen gegensätzlichster Erziehung und unterschiedlichsten Glaubens einander nahe, geeinigt in einer gemeinsamen Leidenschaft für diese doppelte Wahrheit, dass sie im Begriff sind, sich zu vereinigen, und dass sie die lebenden und tätigen Zellen der Menschheit sind.
Und so bildet sich ein neuer und mächtiger Graben quer durch die Menschheit: auf der einen Seite das Bild des Universums aus unveränderlichen und nebeneinander gestellten Teilen – auf der anderen Seite die Begeisterung und die ansteckende Wirkung einer lebendigen Wahrheit. Dort eine Menschengruppe, die nur durch die Kraft der Vergangenheit und um ihrer Verteidigung willen zusammenhält – hier ein Zusammenströmen von Neubeseelten, ihrer Wahrheit gewiss und stark in ihrem gegenseitigen Verstehen. – Man möchte sagen, dass die ganze natürliche mystische Kraft, die ganze religiöse Energie nach dieser einen Seite strebt und sich dort konzentriert.
Eine neue Religion?
Das Wesen, das aufgerufen ist, den endgültigen Akt zu setzen, in den die totale Kraft der irdischen Evolution eingehen und in dem sie zur Blüte gelangen wird, muss eine vereinte Menschheit sein, in der sich das volle Bewusstsein jedes Individuums mit dem Bewusstsein aller anderen Menschen verbindet. Das ‚opus humanum’ ist etwas ganz anderes als ein Akt höherer Sittlichkeit; es ist ein lebendiger Organismus. Die Fortschritte dieses Organismus entziehen sich unserem Blick, weil man, um ein Ding zu erkennen, über ihm stehen muss. – Und doch, gibt es nicht etwas in uns selbst, das sich allmählich erhellt und immer stärker vibriert? Die meisten, die diese Ebene erahnen, erwarten eine neue Religion, die alle Kulte der Vergangenheit ersetzt. Diese Bewegung strebt dahin, „in allem die Einheit zu fördern“. Das Fundament des Tempels jedoch, in dem sich die neu Beseelten versammeln, wird vermutlich nicht auf den Ruinen der alten Religionen stehen.
Ein neuer Christus-Glaube!
Im christlichen Verständnis bedeutet das Gesagte: Um einer vor Verlangen nach Einheit bebenden Erde zu antworten, offenbart sich Christus bereits in der Tiefe der Herzen als universeller Beseeler. Die Zeit naht, da viele Menschen ihre Kraft und ihren Frieden in der gesicherten Aussicht suchen werden, dass alles Bemühen der Welt dazu dient, den Leib Christi zu vollenden, dessen Liebe alles beseelt und neu schafft. Denn von der Tiefe der Materie bis zu den Gipfeln des Geistes gibt es nur eine Evolution. Das ist der neue Glaube an Jesus Christus, das Zentrum der Schöpfung. Dieser Glaube sättigt und krönt das die Welt bewegende tiefe Verlangen nach Einheit. Dieser Glaube vermittelt auch die zur Lebenserneuerung notwendige Energie. So entsteht das Neue Jerusalem, das vom Himmel herab- und von der Erde emporsteigt.
Wer solche Ansichten öffentlich vertritt, wird von den ‚Immobilisten’ als Träumer verlacht und verurteilt: „Es bewegt sich nichts, gesunder Menschenverstand und Wissenschaft beweisen es“, wird ein erster Gelehrter sagen. – „Es kann sich nichts bewegen, die Philosophie hat so entschieden“, so ein zweiter. – „Es darf sich nichts bewegen; die Religion verbietet es“, wird ein dritter hinzufügen.
Jener aber, der gesehen hat, zieht sich ins Herz der Natur zurück. Er schaut in das unermessliche Astwerk, das ihn trägt und dessen Zweige sich unter ihm in einer dunklen Vergangenheit verlieren. Das erfüllt seine Seele von neuem mit dem Empfinden einer einheitlichen und äußerst beharrlichen Bewegung, die sich in der Abfolge der fossilen Schichten und in der gegenwärtigen Verteilung alles Lebendigen abzeichnet. Dann richtet er seine Augen über sich hinaus auf die für neue Schöpfungen vorbereiteten Räume und weiht sich mit Leib und Seele und gefestigten Glaubens der fortschreitenden Entwicklung – einer Entwicklung, die jene mitreißt oder wegfegt, die nichts von ihr wissen wollen.
[1] Teilhard: Die Zukunft des Menschen, 1. Kapitel: Bemerkung zum Fortschritt, Paris 1920.
[2] Mit ‚bewegen‘ meint Teilhard hier und im Folgenden ‚evolutives Bewegen‘ im Sinne von Weiterentwicklung.
[3] Genese ist ein zentraler Entwicklungsbegriff bei Teilhard. Er kommt in verschiedenen Zusammenhängen vor: Kosmogenese, Biogenese, Anthropogenese, Psychogenese usw. und bedeutet Entstehung und Entwicklung.
[4] ‚Transformation‘ kommt bei Teilhard in verschiedenen Bedeutungen vor: als biologische Umgestaltung, als psychische Entwicklung, als gesellschaftliche Neuformierung und auch als geistig-spirituelle Verwandlung. Er verwendet dafür auch die Begriffe ‚Metamorphose‘ und ‚Transfiguration‘.
[5] So wie C. G. Jung, ein Zeitgenosse Teilhards, den Begriff des ‚kollektiven Unbewussten‘ einführte, verwendete Teilhard den Begriff ‚kollektives Bewusstsein‘. Er meinte damit a. das kollektive Gedächtnis der Menschheit, und b. darauf aufbauend eine kollektive geistige Energie für die Weiterentwicklung. Mit dieser zweiten Bedeutung arbeitet auch die moderne Bewusstseinsforschung. Auch besteht ein Zusammenhang mit Rupert Sheldrakes morphogenetischen Feldern.
Aus: Pierre Teilhard de Chardin Sinn und Ziel der Evolution
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