Evolution - Epilog jenseits von Wissenschaft

Carsten Bresch, 1977

 

Habt ihr niemals den Gedanken gedacht,
es möchte die Welt ein Ganzes sein
und es möchte beglückend und heilend sein,
das Ganze ahnend zu verehren
und ihm in Liebe zu dienen?

Hermann Hesse

 

Der Würfel des Universums hat eine Sechs. Evolution ist möglich. Materie hat Eigenschaften, die zur Bildung von Galaxien und Sonnensystemen führen – zur Entstehung des Lebens und des Gehirns. Unfassbar, dass sie so und nicht anders sind. Ohne Gravitation – weiter Chaos, ohne Drehimpuls – keine Gestalt, ohne Ladung – kein Atom, ohne Wasser – kein Leben, ohne Sprache – kein Mensch. Das Nicht-mehr-Begreifliche steht am Anfang – steht hinter allem Geschehen.

Alpha ist der Grund, der Grund aller Entwicklung. Mehr Worte machen es nicht klarer. Elementarteilchen ziehen sich an, Atome gehen Bindungen ein, Zellen werden zum Verband, und Menschen werden zur Menschheit. In allen Phasen der Evolution besteht das ewig gleiche Ziel, durch Vereinigung Teil eines Mehr zu werden. Bereitschaft zur Integration ist die Urkraft aller Entwicklung. Auf der Stufe des Menschen nennt man das "Liebe". Mehr Liebe zur Menschheit braucht der Mensch, mehr Bereitschaft, sich in die Lage des anderen zu versetzen, mehr Barmherzigkeit für die Hilfsbedürftigen, mehr Solidarität mit den Schwachen, mehr Verantwortung jedes Einzelnen für das Ganze. Das allein ist der Weg. Abseits dieser gemeinsamen Wandlung vom biologischen "Ich" zum intellektuellen "Wir" hat niemand von uns eine Zukunft. Wer das Wunder des Ursprungs erfährt, spürt Geborgenheit, weiß sich aufgehoben im Wachstum der Muster. Eine innere Spannung löst sich – die Spannung zwischen Wissen und religiöser Erwartung, die nebeneinander, aber nicht miteinander waren. Menschliche Existenz gewinnt Sinn durch Richtung – die Richtung der Evolution. Sinnvoll ist jedes Tun, das mit der Entwicklung ist, das Muster wachsen lässt und neue Bindungen schafft. Sinnvoll ist jedes Bestreben, auf Bewährtes bauend, ständig Neues zu erproben. Sinnvoll ist jedes Bemühen um Vermehrung von Information, um Verbreitung von Wissen, um Vertiefung von Gefühl. Sinnvoll ist jedes Ringen um aktive Toleranz, um allseitiges Vertrauen, um die Überwindung von Angst und Gewalt. Die Zukunft der so kindhaft hilflosen Menschheit ist in unsere Hände gelegt. Wir müssen ihr helfen, sehen zu lernen. Das ist der Auftrag.

 Irgendwann – irgendwo – überall im Universum – werden Wesen mit Gefühl und Verstand Ähnliches erfahren und Ähnliches denken, wenn ihr individuelles Sein kosmisches Bewusstsein gewinnt – wenn sie sich als Teil des Universums erkennen, als Teil einer Entwicklung vom Chaos zum Kosmos. Die Muster aller Welten werden zusammenfließen zu einer Gesamtheit, die in ständig beschleunigtem Wechsel ihrer Struktur der Vollkommenheit zustrebt. Das Wissen des Alls wir zur Allwissenheit. Dann -  nach unendlich langer Zeit – wird diese eine Gesamtheit der Muster in unermesslich schnellem Wandel ihrer Gestalt zugleich die Gestalt aller Muster enthalten. Alles Harmonische wird dann gleichzeitig sein, ewig aufgehoben im Alles Umfassenden.

Omega ist das Ziel.

 

 

Carsten Bresch, Zwischenstufe Leben - Evolution ohne Ziel?, München 1977

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